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Ich freue mich, Sie heute Abend anlässlich der Vernissage des Künstlers Hannes Lumpelegger mit dem Titel „Körperlandschaft – Naturlandschaft“ hier in der Villa Sinnenreich begrüßen zu dürfen!

Für die Einladung, die Ausstellung mit einer kurzen Einführung zu eröffnen, möchte ich mich ganz herzlich bei dir, Hannes, bedanken. Vor ein paar Jahren (2010) hatte ich bereits schon einmal das Vergnügen, eine Eröffnungsrede anlässlich einer Vernissage von Hannes Lumpelegger in Ottensheim zu halten.

In dieser Ausstellung werden Aktmalereien und Landschaftsbilder präsentiert – was mich persönlich ganz besonders interessiert, sind die Gemälde, die sowohl Akt als auch Landschaft miteinander vereinen. Auf diese „Körperlandschaften“ werde ich später noch genauer eingehen.

Zuerst aber zu ein paar biografische Eckdaten von Hannes Lumpelegger. Interessant ist Lumpeleggers Vielseitigkeit: neben der Malerei gilt seine Liebe auch der Musik. Seine akademische Ausbildung als Musiker ist auch in der Malerei spürbar: Denn auch hier werden Töne/ Klänge/ Klangfarben/ Kompositionen mit Pinsel und Spachtel auf die Leinwand komponiert. Hannes Lumpelegger wuchs in Neumarkt/M. auf und absolvierte 1982 die Anton Bruckner Privatuniversität in Linz. Seither unterrichtet er an der Landesmusikschule Ottensheim in den Fächern Tuba, Blockflöte und `Klang und Farbe`.

Nun zu seiner Ausbildung im Bereich der bildenden Kunst: Vorerst besuchte er zahlreiche Kurse und Sommerakademien bei namhaften Künstlerpersönlichkeiten. 1995 – 2000 war Lumpelegger dann a.o. Student bei Prof. Peter Kubovsky (Natur und Architektur), Prof. Eric van Ess (Akt und Stilleben) und Prof. Dietmar Brehm (Akt) an der Kunstuniversität Linz. Außerdem gilt er als Gründungsmitglied der Eferdinger `Kunstgruppe 2000` und ist Leiter von mehreren Kursen und Seminaren. Hannes Lumpelegger stellt zudem regelmäßig an unterschiedlichen Orten im Raum Oberösterreich aus.

 

Beschäftigt man sich mit Lumpeleggers künstlerischem Oeuvre, stößt man auf ein sehr dominantes Thema, das den Künstler seit Jahren intensiv und unermüdlich beschäftigt: Der menschliche Körper in all seinen Facetten. Akte finden sich auch in der Ausstellung heute – und damit zurück zum Thema: Ich lade Sie ein, kurz mit mir über den Titel dieser Ausstellung zu reflektieren: Körperlandschaft – Naturlandschaft. Lässt sich der menschliche Körper als Landschaft auffassen? Wie fügt sich dieser in den landschaftlichen Kontext der Natur ein? Denkt man den menschlichen Körper in seiner unterschiedlichen Gestalt als Landschaft, ließe sich vermuten, dass sich bestimmte Spannungsfelder auftun: Der Mensch, der seit jeher die Natur zu beherrschen strebt und letztendlich doch von den Naturgewalten beherrscht wird. Dazu ein passendes Zitat von Charles Darwin: „Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand.“ Somit auch nicht der Mensch, der gegen die Natur arbeitet. Betrachtet man die Gemälde von Hannes Lumpelegger, ergibt sich jedoch ein völlig anderes Bild von Körper und Landschaft. Die menschliche Gestalt ist hier in ihrer stark fragmentierten und abstrahierten Form als Landschaft aufzufassen. Oder anders formuliert: In den Gemälden besteht die Naturlandschaft aus schemenhaften, zum Teil nur vage erkennbaren menschlichen Akten. Körper und Landschaft sind eins und fügen sich zu harmonischen Kompositionen zusamme

 

Bevor ich noch detaillierter auf Lumpeleggers Körperlandschaften eingehe, möchte ich Ihnen die kunsthistorische Bedeutung der Gattungen der Landschafts- und Aktmalerei näher bringen. Die Landschaftsmalerei blickt auf eine lange Geschichte zurück – frühe Beispiele finden sich in illusionistischen Fresken der griechischen und römischen Antike. In frühchristlicher Zeit sowie im Früh- und Hochmittelalter dominierten schematische und symbolische Darstellungen; eine bedeutende Wende ist mit dem Florentiner Maler Giotto di Bondone (1266-1337) zu verzeichnen, der perspektivische Versatzstücke und Überlegungen zur Komposition in seine Malerei integrierte. Mit der Einführung der Zentralperspektive in der italienischen Renaissance wurde die Landschaftsmalerei revolutioniert; fortan blieb sie eine der wichtigsten künstlerischen Gattungen. Im Barock herrschten heroische und idealisierte Landschaftsbilder vor, im 19. Jahrhundert ist dann mit der aufkommenden Freiluftmalerei der Schule von Barbizon und später den Impressionisten ein Paradigmenwechsel zu verzeichnen. Im 20. Jahrhundert ist das Landschaftsbild komplex und vielschichtig, denkt man an Expressionismus, Kubismus bis hin zur Abstraktion.Die künstlerische Darstellung des menschlichen Körpers ist wohl so alt wie die Menschheit selbst, denkt man an Höhlenmalereien oder an Venusstatuetten wie die berühmte „Venus von Willendorf“ (um 250.000 v. Chr., Jungpaläolithikum). In der griechischen Antike, im Hellenismus und später im Römischen Reich erfuhr die Aktdarstellung eine erste Blütezeit. Im Mittelalter entwickelte sich die theologische Vorstellung vom Konflikt zwischen menschlichem Geist und Körper, woraufhin „Fleisch“ als Wollust und daher Sünde verdammt wurde (vgl. Dst. Sündenfall, Jüngstes Gericht). Mit der italienischen Renaissance und der proklamierten Freiheit der Künste wurde das mittelalterliche Konzept in den Hintergrund gedrängt und der nackte menschliche Körper nahm einen fixen Platz im Oeuvre der Künstler ein. Mit der katholischen Gegenreformation ab ca. 1540 setzte jedoch wieder eine neue Körperfeindlichkeit ein. So wurden in etwa Partien von Michelangelos „Jüngstem Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle auf päpstlichen Befehl übermalt (1559-65). Trotz sämtlichen Vorbehalten blieb der Akt stets ein bedeutendes Thema in der Kunst. Während der Barockzeit schuf Peter Paul Rubens erotisch-sinnliche Bildwelten und auch im Rokoko widmete man sich ausführlich der erotischen Kunst. Sogar im prüden Viktorianischen Zeitalter im 19. Jahrhundert entwickelte sich eine „lüsterne Salonerotik“, wo der nackte Körper unter dem Deckmantel der Allegorie, Mythologie oder Orientalismus seine Legitimation erfuhr. Im deutschen und im österreichischen Expressionismus sowie in der Neuen Sachlichkeit war das Erotische und Sexuelle ein gängiges Sujet. Auch in der zeitgenössischen Kunst bleibt die Bedeutung des menschlichen Körpers ungebrochen.

 

Nun aber zurück in die Gegenwart und zu Hannes Lumpeleggers malerische Auffassung von Akt und Natur. Der Künstler begreift den nackten menschlichen Körper zugleich als Landschaft. Beiden gemein sind die Höhen, Tiefen, Wölbungen, Kanten und Furchen, sowie das Organische. Dabei bricht er radikal mit einem realistischen, naturalistischen Abbild – zugunsten einer harmonischen Auflösung und Aufsplitterung der körperlichen Formen und deren Einbettung in einen abstrahierten landschaftlichen Kontext. Die bemerkenswerte Verwendung der gesamten Farbpalette ist dabei ein wichtiger Bestandteil des malerischen Prozesses. Betrachtet man die Aktdarstellungen von der Nähe, ist der Grad der Abstraktion am intensivsten. Von einer gewissen Distanz aus, vermag man die kubischen und wie ins Bild gemeißelten menschlichen Formen und Rundungen zu einem Körper zusammenzufügen. Genau darin besteht die enorme künstlerische Herausforderung und Lumpeleggers große Leistung. Der Künstler selbst hat diesen Prozess sehr treffend formuliert: „Ich sehe meine Abstraktion nicht durch bloße Reduktion an sich, sondern verarbeite sie nach meiner eigenen Sichtweise. Also: Jedes Motiv, ob Mensch, Ding, Landschaft ist mir wert, meine eigene Darstellung daran auszuprobieren. Es als Bildkomposition anzulegen und dabei die konkrete Form verschwinden zu lassen. Übrig bleibt dabei nur mehr die “Seele” des ursprünglichen Motives.“ Die Seele des ursprünglichen Motivs ist dann der fragmentierte menschliche Körper: Dynamisch und zugleich harmonisch gliedert er sich in das ihn umgebende malerische Setting, den landschaftlichen Kontext. Körper als Landschaft, Körperlandschaft. Oder die Landschaft als Körper, Landschaftskörper? Beide Motive werden spielerisch zusammengefasst und somit verunklärt. Eben diese Verunklärung, das Nicht-Eindeutige kann als primäre Bildidee und künstlerische Leistung Lumpeleggers gedeutet werden. Und genau darin liegt der spezielle Reiz dieser Körperlandschaften.Schließen möchte ich mit einer Äußerung des großen französischen Landschaftsmalers Paul Cezanne (um 1900):“Die Natur ist immer dieselbe, aber von ihrer sichtbaren Erscheinung bleibt nichts bestehen. Unsere Kunst muss ihr das Erhabene der Dauer geben, mit den Elementen und der Erscheinung all ihrer Veränderungen. Die Kunst muss ihr in unserer Vorstellung Ewigkeit verleihen. Was ist hinter der Natur? Nichts vielleicht. Vielleicht alles.” (um 1900) Hinter der Natur oder in der Natur – so meine abschließenden Gedanken zu Hannes Lumpeleggers Ausstellung – bleibt viel zu entdecken, der Körper als Landschaft und die Landschaft als Körper. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit,und wünsche Ihnen allen nun viel Vergnügen beim Betrachten der Bilder!

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